Mehrtägige Wanderungen haben ihren eigenen Reiz, aber sie erfordern Vorbereitung. Tipps für tolle Erlebnisse.
Simone Liedtke (NZZ am Sonntag 19. Mai 2024)
Wer das Gefühl der Unabhängigkeit beim Weitwandern in vollen Zügen geniessen will, muss akribisch planen. Dabei gibt es grosse Unterschiede zwischen Wanderungen mit Zelt- und solchen mit Hüttenübernachtung. Die Weitwanderin Sarah Rechsteiner von Transa und der Wanderleiter Reini Meichtry von simply.hiking geben Tipps.
Rechsteiner war schon monatelang zu Fuss und mit Zelt unterwegs. Sie weiss aus Erfahrung: «Beim Weitwandern muss man sich nicht von der eigenen Kondition behindern lassen. Wichtig ist, auf seinen Körper zu hören, sein Tempo zu gehen und die Erwartungen niedrig zu halten – so findet man seine eigene Stärke.» Meichtry sieht das ähnlich. Für Touren mit Hüttenübernachtungen rät er: «Die ideale Zeit ist Mitte Juli bis Ende September, da höher gelegene Hütten erst im Juli öffnen. Beliebte Hütten sind meist Anfang Saison ausgebucht, deshalb früh online reservieren!»
Routenplanung
Wer in Hütten übernachten will, muss für die Detailplanung der Route Höhenmeter und Distanz der Etappen festlegen und Eventualitäten einplanen. Ist man mit dem Zelt unterwegs, spielt es keine Rolle, ob man eine Tour in mehr oder weniger Etappen zurücklegt. Wichtig ist in jedem Fall, dass man sich im Vorfeld mit der Tour befasst. Gemäss Meichtry bestimmen drei Elemente die Planung: 1. Gelände: Welche Schwierigkeiten weist die Route auf? 2. Verhältnisse: Hat es noch Schneefelder? Muss mit Gewittern und Temperaturstürzen gerechnet werden? Was mache ich bei schlechtem Wetter? 3. Mensch: Bin ich allein oder in der Gruppe unterwegs? Wie ist die Gruppendynamik? Wer führt? Was sind die Erwartungen? Den Trek zeichnet man digital auf dem Smartphone auf. Das Kartenmaterial kann zu Hause heruntergeladen werden, oder man benutzt eine entsprechende App. Wanderführer und digitales Kartenmaterial gibt es zum Beispiel auf der Website von Schweiz Mobil. Auf dem SAC-Tourenportal finden sich zudem die Beschreibungen der schweizweit gültigen Schwierigkeitsgrade T1 bis T6 und deren Markierungen.
Rucksack
Der Rucksack sollte leicht und bequem sein und 40 bis 60 Liter fassen. Es gibt ultraleichte Modelle, die durch getapte Nähte bereits komplett wasserdicht sind. Bei herkömmlichen Modellen empfiehlt sich ein wasserdichter Innensack. Das Gewicht des gepackten Rucksacks wird ohne Verpflegung gerechnet. Mit Zelt und Schlafsystem sollte er maximal neun bis zwölf Kilogramm wiegen, ohne vier bis fünf Kilogramm.
Unterschlupf und Schlafsystem
Es gibt zwei Arten des Unterschlupfs: das Zelt oder ein Biwaksack mit einer Zeltblache (Tarp). Für Anfänger empfiehlt sich ein Zelt. Das Thema Moskitoschutz ist damit ebenfalls gelöst. Es gibt ultraleichte, wasserfeste Zelte aus Dyneema. Oder Zelte aus kostengünstigerem Nylon mit einer ausreichenden Wassersäule. Das Schlafsystem besteht aus dem Schlafsack und einer Matte. Daunenschlafsäcke sind leichter und speichern Wärme effizienter als ein Synthetikschlafsack, der ein grösseres Packvolumen hat. Ein Seidenschlafsack ist Bedingung für eine Übernachtung in der Hütte.
Koch- und Wassersystem
Zum Kochen und Essen genügt ein 1-Liter- Topf, darin finden eine mittlere Gaskartusche und ein kleiner Kocher Platz. Dazu ein Löffel, ein Sackmesser und das Essen. «Zum Kochen eignen sich am besten Lebensmittel, die quellen und nicht lange kochen müssen, wie Couscous, Haferflocken oder Linsen. Gekaufte Trekkingmahlzeiten geben einem das Gefühl einer richtigen Mahlzeit. Die Beutel brauchen aber Platz und erzeugen viel Abfall, den man mitnehmen muss», so Rechsteiner. Schokolade liefert effizient Kalorien, Früchte und Gemüse sind Luxus. Genauso Milchprodukte, die nur in Pulverform zu empfehlen sind. Das Wassersystem beinhaltet eine Flasche oder eine Trinkblase und einen Wasserfilter. Gewisse Modelle können direkt auf eine PET-Flasche geschraubt werden. Bei stark verschmutztem Wasser sollten Schmutz und Sedimente vorher durch ein Tuch abgesiebt werden, damit der Filter nicht verstopft. Drei Liter Wasser sollten abgefüllt und mitgeführt werden können, falls eine Nacht trocken campiert werden muss, wenn kein Gewässer in der Nähe ist. Oberstes Gebot beim Campieren: Leave no traces. Das gilt auch für Bananenschalen und benutztes WC-Papier.
Kleider und Schuhe
Bei der Auswahl der Kleidung sollte man sich an das Zwiebelsystem halten. Für Kleider, die man auf der Haut trägt, ist Merinowolle zu bevorzugen. Die Naturfaser wärmt auch in feuchtem Zustand und verliert Körpergerüche durch Auslüften. Eine warme Jacke und eine Wind-Regen-Jacke mit Kapuze müssen immer dabei sein. Eine Garnitur Kleider zum Wechseln, in einem Dry Bag verstaut, reicht aus. Bei Wander- oder Trekkingschuhen sind ein stabiler Halt und ein gutes Profil entscheidend. Die Schuhe sollten bereits getragen, aber nicht zu alt sein, da sich bei alten Schuhen die Sohle ablösen kann. Wer Flüsse queren muss, bevorzugt Trekking- und Trailrunningschuhe ohne Gore-Tex, die an der Sonne in knapp einer Stunde trocknen.
Basics und Extras
Zu den weiteren Basics zählen: Kopfbedeckung, Tuch oder Stirnband, kleines Badetuch. Optional Handschuhe für Bergwanderungen. Toilettenartikel wie: Sonnenschutz, Zahnbürste und Zahnpaste, WCPapier. Ziplock-Beutel oder Dry Bags für: Abfall, Geld und Ausweise. Wichtig sind: Stirnlampe, Taschenmesser mit Schraubenzieher, Feuerzeug, Erste-Hilfe-Set mit Tape. Zusätzliche Helfer: etwa zwei Meter Reepschnur (2 mm) mit Karabiner, Duct-Tape (kann um Wanderstöcke gewickelt werden) und Kabelbinder. Für Alleinwanderer: ein Notfallgerät mit Notfallknopf für die Rega. Rechsteiner gönnt sich auf ihren Touren den Luxus von Flipflops, um beim Campieren schnell aus den Schuhen zu kommen und die Füsse auszulüften. Meichtry führt gern einen Knirps mit sich, um sich nicht bei jedem leichten Regen umziehen zu müssen.